Konservative Bischöfe - liberale Resultate?
Übersetzung eines Artikels der amerikanischen Zeitschrift "The Catholic World Report",
May 1995, S. 21 - 27, Autor: James Hitchcock
Eberhard Wagner

Hier befinden Sie sich in der Gastsektion von Eberhard Wagner, bekannter Romanautor und Denker in Österreich. Sein Roman "Helena - das Gute ist, was bleibt", kann besonders zum Kauf empfohlen werden: ISBN 3-85165-360-2 im Passagenverlag Wien 2000.

Eberhard Wagner (Übersetzer):
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Ein herzlicher Dank ergeht an ihn für den folgenden Beitrag zur zusätzlichen Veröffentlichung auf www.padre.at. Der Beitrag zeigt sehr deutlich die verfehlte Kritik seitens sogenannt "progressiver" Kreise an den früher angeblich "ultrakonservativen" Bischofsernennungen in Österreich und Europa. Es handelt sich zweifellos um einen weiterhin höchst aktuellen Diskussionsbeitrag zum Nachdenken, nicht zuletzt wegen des kirchenhistorisch bedeutsamen Falles der Diözese St. Pölten (Bischof Dr. Kurt Krenn):


Länger als ein Jahrzehnt haben Journalisten regelmäßig berichtet, daß Papst Johannes Paul II. eine offensichtliche Vorliebe dafür hat, mehr "konservative" Bischöfe in den Vereinigten Staaten zu ernennen. Trotz einer versprochenen "Gegen-Reformation, bleibt die liberale Entwicklung ungebrochen. Ein hervorragender Kenner der katholischen Kirche und Journalist untersucht das Paradox.

· Ein junger Mann beabsichtigt, die Priesterausbildung zu absolvieren, und wird von einem Komitee befragt, dessen Vorsitzender (ein hochgestellter Amtsträger der Diözese) sich nach seinen "Gefühlen" hinsichtlich der Frauenordination erkundigt. Der Kandidat antwortet, daß die Angelegenheit vom Heiligen Vater entschieden worden sei. Der Vorsitzende erwidert: "Wir haben nicht gefragt, wie der Heilige Vater darüber denkt. Wie wollen wissen, wie IHR Gefühl diesbezüglich ist." Der junge Mann stellt einfach fest ,daß er die Lehre der Kirche dazu akzeptiere. In der Folge wird er informiert, daß ihn das Komitee für nicht geeignet für das Priesteramt befindet. Eine indirekte Anfrage an den Diözesanbischof bringt die Antwort, daß alle Kandidaten von einem Sichtungskomitee empfohlen werden müssen.
· In einer anderen Diözese entdeckt ein junger Mann, der am Priesterseminar immatrikuliert ist, daß eine feministische Nonne viel Einfluß darauf hat, ob Kandidaten zur Weihe zugelassen werden und daß sie ihn als "unsensibel für die Bedürfnisse der Frauen" eingestuft hat. Neuerlich bringt eine indirekte Anfrage an den Bischof die Antwort, daß er sich nicht in die Arbeit des Seminars "einmischen" wolle und daß der Kandidat irgendwie versuchen muß, die Unterstützung der Nonne zu erhalten um für die Weihe zugelassen zu werden.
· In zwei Diözesen engagieren die Bischöfe Laien als Herausgeber für ihre diözesanen Zeitungen - Männer, bekannt als konservativ in kirchlichen Angelegenheiten. Aber als die neuen Herausgeber versuchen, ihre jeweiligen Zeitungen in Einklang mit der offiziellen kirchlichen Linie zu bringen, steigen die Proteste, und binnen kurzem werden beide von ihren Posten wieder entfernt.
· Zwei Diözesen führen Sexual-Aufklärungs-Programme ein, die in wichtigen Punkten von der katholischen Lehre abweichen. Daraufhin protestieren Eltern. In beiden Fällen befördern die neuen Bischöfe die Verantwortlichen für die jeweiligen Programme in bedeutendere Positionen in der örtlichen Hierarchie.
· Eine Frau - Laie - wird zur "Pastoralhelferin" in einer Gemeinde ernannt, wo kein Priester verfügbar ist. Bald beginnt sie, priesterliche Kleidung zu tragen während sie die Kommunion spendet und verkündet öffentlich ihren Wunsch, zum Priester geweiht zu werden.
· Ein Bischof gibt einen Pastoralbrief heraus über die Stellung der Frau in der Kirche, während er zugleich, nachdem er kurz und bündig die Frauenordination vom Tisch wischt, einen deutlichen feministischem Standpunkt einnimmt, der die Frau als systematisch sowohl von der Kirche als auch von der Gesellschaft unterdrückt bezeichnet.
· Ein Bischof ernennt als seinen Diözesanverantwortlichen und Sprecher in "Frauenangelegenheiten" eine Frau, die für ihre kritische Haltung zur katholischen Lehre nicht nur hinsichtlich der Frauenordination bekannt ist, sondern auch bezüglich Zölibat und verschiedene Bereiche der Sexualmoral. Sie spricht öffentlich darüber, daß sie örtliche Priester in diesen Punkten bereits "heimgeleuchtet" habe. Beschwerden an den Bischof werden ignoriert.

Nur Meinungensunterschiede?

Viele schlimme Vorzeigefälle könnten zusammengestellt werden um die prekäre Lage des katholischen Glaubens in den Vereinigten Staaten zu illustrieren. Das, was diese Fälle aber so besonders signifikant macht ist, daß in jedem Fall diese Probleme unter Bischöfen aufgetaucht sind, die als "konservativ" bekannt sind und als Teil einer "Gegen-Reformation" oder "Restauration" des jetzigen Papstes Johannes Paul II. betrachtet werden.

Das mangelnde Zutreffen der Begriffe "liberal" und "konservativ" für kirchliche Angelegenheiten wurde schon oft bemerkt, aber diese Begriffe sind einfach so bequem, daß - wenn man es richtig versteht - sie äußerst nützlich sind um die Lagerbildung zu beschreiben, die derzeit die Kirche heimsucht. Obwohl die Akzeptanz dieser willkürlichen Einteilung der Parteiungen schockieren müßte, zeigt der Umstand, daß dies geschieht, daß diese grundlegenden Fragen leichtfertig dem Rang von bloßen Privat-Meinungen überantwortet wurden, zu denen Katholiken legitimerweise unterschiedliche Positionen einnehmen dürften.

Mit sehr wenigen Ausnahmen gehen "konservative" Bischöfe nicht über das hinaus, wozu sie ausdrücklich von der Lehre der Kirche oder der Kirchenpolitik beauftragt wurden. Beinahe alle erlauben Ministrantinnen in ihren Diözesen, und einige einige taten es schon, bevor Rom die Praxis nachträglich sanktionierte. Beinahe keiner ist ein wirklicher Anhänger der Alten Messe.

Wenn wir bei den Begriffen "liberal" und "konservativ" bleiben, und dies auch in Bezug auf die Bischöfe, bedeutet im Endeffekt die Zustimmung zu Positionen, welche aktiv abweichen von der einen oder anderen offiziellen Lehre der Kirche, daß diese zu Meinungen oder Fragen des Geschmacks verkürzt werden, oder auch zu Fragen des Temperaments - einige Menschen verändern sich schneller als andere und sind flexibler Veränderungen gegenüber.

Wenn es auch noch nicht bemerkt wurde, so reichen die Wurzeln des Liberalismus unter den amerikanischen Bischöfen zurück in die Periode unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als legendäre "Bischofsgiganten" wie Kardinal Francis J. Spellman aus New York noch im Amt waren. Mit wenigen Ausnahmen zeigten solche Prälaten selbst Anzeichen postkonziliarer Verwirrung. Oft taten sie wenig um diese Verwirrung für andere zu beseitigen, oder sie handelten in einer Weise, daß es wirklichkeitsfremd und inkonsistent wirkte, wobei zwar bestimmte Abweichungen mit strengen Strafen belegt wurden, andere aber gutmütig toleriert wurden, die weit schlimmer waren.

Das Konzil und die Krise

Der große Fehler der älteren Generation von Bischöfen war jener, die Kontrolle der nachkonziliaren Erziehungsprozesse für sich zu beanspruchen. Quer über die Vereinigten Staaten tauchten Interpreten der "Erneuerung" auf, die die Aussagen des Konzils auf verschiedene Arten verbogen, ein Vorgang, der mit der Zeit immer schlimmer wurde. Es gab in der Tat nur wenige Bischöfe, welche sich bemühten - nur in ihren eigenen Diözesen, weit weniger national - ein authentisches Programm einzuführen, um zur "neuen Kirche" zu hinzuführen.

Das Ergebnis war, daß während der nächsten Jahrzehnte Verantwortliche in der Kirche aller Hierarchiestufen - vom Diözesanbischof selbst bis hinunter zu den Kindergartentanten - systematisch in eine Euphorie der "Erneuerung" versetzt wurden, die in wachsendem Ausmaß von den offiziellen Lehren und den Worten des Konzils abwich. Ab 1975 - wenn nicht schon vorher - hatte die Kirche in den Vereinigten Staaten die Mehrheit ihres "mittleren Managements" an mehr oder weniger schwere Grade des Dissenses verloren, weil die meisten Bischöfe passiv und wenig korrigierend die Vorgänge beobachteten.

Der Sturm von Dissens, der der Geburtenkontroll-Enzyklika Humanae vitae im Jahre 1968 folgte, war ein Golgotha, dessen Chancen aber rasch verspielt waren. Offensichtlich trafen die amerikanischen Bischöfe die allgemein verbindliche Entscheidung, daß sie gar nicht erst versuchen würden, systematisch den Menschen die Lehren der Enzyklika auseinanderzusetzen, worauf abweichende Haltungen immens an Glaubwürdigkeit gewannen. (Die Sache war von bestimmten Theologen geschickt ausgenutzt worden, und zwar gerade weil es direkte Bedeutung für die meisten Laien hatte.)

Der gesunde Menschenverstand würde einem sagen - nachdem man mit massiver Abweichung von der offiziellen Lehre konfrontiert war - daß die Bischöfe nun jede Anstrengung unternehmen hätten müssen, um den Kern der Katholiken - Priester und Laien - die diese Lehren annehmen konnten, enger an sich zu binden, indem man ihnen jede Ermutigung angedeihen läßt, um diesen Kern dann als Basis dazu benützen zu können, um die anderen wieder erreichen zu können. Anstatt dessen aber schienen die amerikanischen Bischöfe die kollektive Entscheidung getroffen zu haben, solche Leute zu ignorieren, welche bald völlig sich selbst überlassen wurden, und in der Praxis wurden alle pastoralen Anstrengungen jenen gegenüber unternommen, die die Lehre ablehnten. Wie auch immer: Das Ziel dieser pastoralen Anstrengungen war aber nicht, die verlorenen Schafe zurückzubringen, sondern die Überprüfung der Voraussetzungen, "verloren" zu sein, womit man die Möglichkeit eröffnete, daß die verlorenen Schafe tatsächlich die neuen Führer der Herde werden konnten.

Indem man sich entschlossen hatte, Humanae vitae nicht mehr als höchstens verbal zu unterstützen, machten die amerikanischen Bischöfe jenen grundsätzlichen strategischen Fehler, der schon der Untergang des liberalen Protestantismus gewesen war. Länger als ein Jahrhundert hatten die liberalen Protestanten beständig christliche Positionen aufgegeben, die man als unvereinbar mit einem jeweils aktuellen Zeitgeist angesehen hatte, um den Kern der Heilslehre besser bewahren zu können. Aber in jeder Generation waren solche Aufgaben gefordert worden, bis zuletzt nichts mehr übergeblieben war, und die Selbstaufgabe ist die hauptsächliche Perspektive, mit der sich die Liberalen abfinden müssen.

Nun aber, nachdem sie in der Frage der Geburtenkontrolle aufgegeben hatten, dachten die Bischöfe von 1968 vermutlich, ihre Glaubwürdigkeit in anderen Fragen behalten zu können. Aber unvermeidlich erfolgte eine beständige Erosion jeder erklärten katholischen Moralposition. Zuletzt hatte eine Erhebung 1995 ergeben, daß seine solide Mehrheit der Katholiken die kirchlichen Lehren über die Realpräsenz in der Eucharistie nicht annehmen kann. Die Strategie, ausgewählte Abweichungen zu tolerieren, kann nur solche Ergebnisse zeitigen, und das Feld der Abweichungen kann sich nur erweitern.

Das Phantom Erneuerung

In einer Episode, welche bis heute mysteriös bleibt, ernannte der Heilige Stuhl in den 70er Jahren in den Vereinigten Staaten Bischöfe, die dem Dissens gegenüber zumindest tolerant gegenüberstanden und in einigen Fällen sogar persönlich damit sympathisierten, ein Schema von Ernennungen, welches noch einige Jahre in das Pontifikat von Johannes Paul II. hinein andauerte.

Zu Anfang der 80er Jahre schien diese Vorgangsweise überdacht zu werden, sodaß das Wort in Umlauf kam, daß die Männer, die zu Bischöfen gemacht werden sollten, orthodox seien, hartnäckige, streitbare Gemüter, ausgesandt mit der Aufgabe, den authentischen Katholizismus vom Beinahe-Chaos der falschen "Erneuerung" zu retten. Konservative waren durch diesen neuen Geist für den Großteil dieses Jahrzehnts ermutigt, und erst gegen dessen Ende begann es informierten Leuten zu dämmern, daß irgendwie die versprochene Gegenreformation nicht stattgefunden hatte.

In Diözesen, wo ein konservativer Bischof einem konservativen Bischof nachfolgte, gab es in der Regel nur wenige Probleme. Dennoch waren solche Fälle selten, denn während der 70er Jahre war es eindeutige Politik des Vatikan, konservative Bischöfe durch liberale zu ersetzen. Folglich sind die einzigen soliden konservativen Diözesen jene, deren Ordinarii von Beginn der 70er Jahre bis in die 80er Jahre hinein im Amt gewesen waren.

In der größten Anzahl der Diözesen allerdings folgen konservative Bischöfe solchen nach, welche entweder selbst liberal gewesen waren oder sich dem Liberalismus gegenüber tolerant verhalten hatten, und in einem Großteil dieser Fälle hatte der konservative Bischof die Situation, welche er übernommen hatte, nicht tatsächlich und ernsthaft verändert.

Die Gefahren des vorsichtigen Vorgehens

Die Dynamik dieses Prozesses ist leicht zu durchschauen. Wie auch immer seine Absichten waren, entdeckt ein neuer Bischof sehr rasch, wie fest die Liberalen die Diözesanmaschinerie in Händen haben: Das Schulamt, den Priesterrat, die Caritas, und andere Ämter. Und er sieht, daß es keine leichte und auch eine unangenehme Aufgabe sein wird, diese Leute zu entfernen.

So beschließt er, langsam vorzugehen, bis er die Situation besser durchschaut, sein Personal besser kennt, und entwickelt eine effektvolle Strategie. Sehr schnell wird er von Konservativen bestürmt, in der Mehrzahl Laien, Mißbräuche abzustellen, aber er lehnt es ab, zuzugeben, daß dies Mißbräuche wären, schiebt es auf bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem er einen Weg sieht, korrigierend einzugreifen.

Aber die Zeit vergeht sehr schnell. Bald erkennt der Bischof, daß während er seine Befürchtungen über Probleme, die er sehen würde, mit den Tatsachen konfrontiert hatte, sein Vorgehen tatsächlich freundlich aufgenommen worden war. Zu gegebener Zeit könnte sein Kanzler so etwas ähnliches sagen wie: "Ehrlich gesagt, Exzellenz, das gab es Leute, welche das Schlimmste erwarteten, als Sie ernannt wurden, aber jeder ist positiv überrascht. Sie haben ihre Kritiker überrascht."

Mit solcher Bestärkung, müßte es ein äußerst entschlossener Bischof sein, welcher bei der Überzeugung bleiben würde, weitreichenden Veränderungen wären wirklich notwendig, um eine authentische Erneuerung zu erreichen. Menschliche Wesen sind dazu fähig, endlose Ausflüchte zu finden, unangenehme Aufgaben abzuschütteln, und der Bischof sagt sich selbst, daß er die Freiheit haben müßte, seinen Auftrag auf seine eigene Weise und in seiner selbstbestimmten Zeit zu erfüllen.

In der Zwischenzeit wächst die Ungeduld bei den Konservativen in der Diözese, welche natürlich immer unrealistisch in ihren Erwartungen gewesen waren. Gezwungen durch seinen Unwillen zu Handeln, sieht sich der Bischof Dinge verteidigen, von denen er weiß, daß sie nicht zu verteidigen sind, und er sieht sich selbst gestört von jenen Leuten, welche seine Probleme nicht zu verstehen scheinen und die von ihm unverzügliches Handeln verlangen. An einem gewissen Punkt könnte sein Kanzler gezwungen lächeln und sagen: "Nun, Exzellenz, sehen sie, was wir mit diesen Leuten all die Jahre für eine Plage hatten."

Stufe für Stufe, durch einen Vorgang, welcher größtenteils unerkannt bleibt, bis er abgeschlossen ist, wird der Bischof zu einem Verbündeten all jener Leute, deren Handeln er angetreten war zu korrigieren. Außer er wäre zynisch, kann er nicht länger Dinge verteidigen, von denen er weiß, daß sie falsch sind, folglich kommt er eventuell zu der Auffassung, daß behauptete Mißbräuche überhaupt keine Mißbräuche seien, und daß die Probleme in der Diözese von jenen verursacht würden, die "sich weigern, die Reformen des 2. Vatikanums anzunehmen." Das drückende Gewissen, das der Bischof aufgrund seiner mangelhaften Handlungsbereitschaft hat, projiziert er nun auf seine konservativen Kritiker.

Die Strategie, einen gewissen Zeitraum abzuwarten bevor man handelt, hat etwas für sich. Aber sie ist wertlos, vergleicht man es mit der gängigen Management-Praxis in Regierungen oder der Industrie, wo jeder neue Chef seine "hundert Tage" oder seine "Flitterwochen" zur Verfügung hat, während deren er umwälzende Veränderungen im Personal vornimmt mit der Absicht, Leute zu installieren, die seine eigenen Ziele vertreten. Ein Funktionsträger, der in seinem Amt verbleibt, und der im Verdacht steht, mit den Zielen nicht übereinzustimmen, wird selten Dankbarkeit erweisen. Stattdessen wird seine Untätigkeit richtigerweise als Schwäche ausgelegt, und seine Untergebenen beginnen entsprechend zu handeln.

Die liberalen Bischöfe, die während der 70er Jahr ernannt worden waren, folgten im wesentlichen dieser Praxis, indem sie Konservative in den Kanzleien durch ihre eigenen Leute ersetzten. Aber viele konservative Bischöfe scheinen nicht energisch genug zu sein, um hier wieder gegenzusteuern, vermutlich in der Annahme, daß Kontinuität in der Verwaltung den Frieden in der Diözese sichert. So werden alte Maßnahmen unverändert auch unter der neuen Führung weiter betrieben. (In einer Diözese behielt ein konservativer Bischof den Generalvikar seines Vorgängers im Amt, und ein ortsansässiger Priester beobachtet: "Jeder weiß, daß es weit gefährlicher ist, sich mit dem Generalvikar anzulegen als mit dem Bischof.")

Klerikalismus im Aufstieg

Nichts davon ist verstehbar ohne ein Faktum zu berücksichtigen, daß systematisch in den letzten drei Jahrzehnten zu beobachten war: Die "nachkonziliare Kirche" ist mehr klerikal als sie es vorher war, nicht weniger.

In vieler Hinsicht war der Klerikalismus der "vorkonziliaren Kirche" bestimmt durch einen sturen Legalismus, der von den Liberalen denunziert wurde: Priester und Bischöfe hatten Autorität, die sorgfältig umschrieben war vom Kirchenrecht, und sie hatten größtenteils keine Möglichkeit, unberechenbar zu handeln. In der "offenen, anti-legalistischen Kirche", ist jedenfalls der Klerus oft frei, seine eigenen Theologien zu verkünden, sich seine eigene Liturgie zuzuschneidern, und sein eigene Moral, seine eigene Sicht von der Kirche den wehrlosen Gemeinden aufzudrängen, weil es weder eine effektive Möglichkeit gibt, die Authentizität der Erneuerung zu beurteilen, noch eine wirkliche Möglichkeit, durch welche Priester gezwungen werden könnten, dem Kirchengesetz zu gehorchen. Die Kirche ist auch deshalb klerikaler, weil im Endeffekt eine große Anzahl von Laien in klerikale Ämter gehoben wurden, als Diözesan- oder Pfarrbürokraten.

Einer der großen Fehler den die "alten" Bischöfe der Konzilsperiode gemacht hatten war, ohne Widerrede den Wunsch nach Professionalismus zu akzeptieren. Dadurch können Bischöfe gewöhnlich eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden, indem man sie daran erinnert, daß ihnen professionelle Befähigungsnachweise fehlen, um die Arbeit der Pädagogen, Kirchenrechtler oder Liturgieexperten zu beurteilen. Diese Professionalisten organisierten sich bald nach dem Konzil in nationale Körperschaften, die in Wirklichkeit die Bedingungen der Diskussionen kontrollieren. In vielen Diözesen findet eine endlose Parade von Ansprachen und Workshops statt, zu denen ausgewiesene "Experten" eingeladen werden, um mit den ansässigen Leuten zu reden. Normalerweise macht der Bischof - auch wenn er konservativ ist - zu guter Letzt einen Scheinbesuch bei solchen Versammlungen und gibt ihnen seinen formalen Segen. Selten versucht er sie aufzuhalten oder sie ernsthaft zu lenken.

Wenn sie die offensichtliche Tatsache zugeben, daß die Katholiken einen großen Teil der offiziellen Lehre ablehnen, verweisen die Bischöfe normalerweise auf die säkularisierte Kultur als die Ursache (für den Abbau von religiösen Feiertagen zum Beispiel). Und selten scheinen sie zu verstehen, daß offizielle kirchliche Organe - die Schulen, die katholische Presse, offiziell unterstützte Konferenzen, sogar der Klerus - selbst die effektivsten Kanäle für die Verbreitung der Abweichungen gewesen sind. Seit dem Konzil sind die Katholiken in einem gewissen Sinne deprogrammiert worden zu einer neuen Art von Glaube, und gegen dieses neue Programm richten formale Wiederholungen offizieller Lehren wenig aus.

Bischöfe sehen, daß ihre disziplinäre Macht nicht immer umwälzend benutzt werden kann, denn da gibt es auch Bereiche, über die sie wenig Kontrolle haben, so wie die katholischen Privatschulen. Aber - neben einer kurzfristigen Sanktionierung von Abweichlern - können Bischöfe ihnen zumindest öffentlich widersprechen, was sie auch sehr selten tun. Sogar, wenn die lokale Hochschule ein Zentrum organisierten Dissenses ist, wohnt der Bischof fast immer ihren wichtigsten öffentlichen Zeremonien bei, wo er er unzweifelhaft Dankbarkeit ausdrückt, daß die Diözese so ein pulsierendes Zentrum der katholischen Lehre genießen darf. Katholiken, die sich wundern, daß das, was sie von solchen Kanälen hören, selten die authentische katholische Lehre ist, werden selten von ihrem Bischof aufgeklärt. Zu allen Anlässen bekennen sich der Bischof und die örtlichen Abweichler zum gleichen Glauben.

Im Gegensatz dazu gibt es so etwas wie "Laien-Opposition" nicht, weil sich die Laien in dutzende verschiedene Wege zersplittert haben. Selbst, wenn es sie gäbe, gibt es kein etabliertes Organ, durch welches sich die Meinung der Laien artikulieren könnte.

Deshalb ist es auch so, daß wenn ein Bischof eine Diözese übernimmt er schon im Vorhinein weiß, daß er den benachteiligten Laien keine Aufmerksamkeit zuwenden muß, während er sich seinem Priesterrat oder den religiösen Gemeinschaften in der Diözese sehr wohl beugen muß. Für sämtliche praktischen Zwecke - wenn es zur bischöflichen Erklärung seiner Regierungsabsichten kommt - SIND solche Gruppen allerdings die Kirche. Nimmt man die andere Möglichkeit, waren autoritäre vorkonziliare Bischöfe frei, Empfindlichkeiten des Klerus oder religiöse Gefühle zu berücksichtigen, wenn sie es wünschten, während heutigen Bischöfe dies nicht mehr können. In keinem Fall hat die Laienschaft eine effektive Stimme, genausowenig wie es ein Priester oder ein Gläubiger hat, der außerhalb des "Mainstream" der örtlichen kirchlichen Organisationen steht.

Der unausgesprochene Kompromiß

Was genau Bischöfe befürchten, weiß man eigentlich nicht. Zum einen fühlen sie sich genötigt durch den Personalmangel; Priester und geistliche Berufungen sind Mangelware, und der Bischof kann es sich nicht leisten, sich mit den paar, die er hat, schlecht zu stellen. Aber das ist ein selbst-perpetuierendes Problem, weil konservative junge Männer - siehe obiges Beispiel - teilweise entmutigt oder sogar direkt abgehalten werden, Priester zu werden, und zwar durch die existierenden Diözesanämter.

In gewisser Weise ist es für die liberale Sache günstiger, wenn eine liberale Diözese von einem als konservativ bekannten Bischof regiert wird als von einem liberalen, weil der konservative Bischof einen Mantel des Respekts auch der liberalen Politik verleiht. Laien, die sich beschweren, können wesentlich leichter entlassen werden, da es damit begründbar ist, daß "sogar unser konservativer Bischof sie zufriedenstellen kann." Oft besteht ein unausgesprochener Kompromiß: Der Bischof sagt zu öffentlichen Anlässen begeisternde orthodoxe Dinge, während die Diözesanpraxis in völlig andere Richtungen geht.

Konservative Laien finden es in der Praxis unmöglich, der Othodoxie einen glaubwürdigen Stand in der Diözese zu verschaffen, und zwar weil ihre Meinungen exakt als das definiert werden: Meinungen. Obwohl sowohl der Papst als auch der Bischof authentische Lehren verkünden und bekräftigen, erlaubt sich der Diözesanbischof in bestimmten Situationen selbst, Abweichungen von dieser authentischen Lehre zu akzeptieren. Deshalb auch werden Laien, die gegen diözesane Vorgänge protestieren, als Querulanten hingestellt, nachdem der Bischof selbst die Mißbräuche nicht erkennt, die sie sehen.

Verbündete in den Medien

Trotz all ihres Geredes von "Pluralismus" begreifen Liberale sehr genau, daß eine Kirche nicht Bestand hat, die in sich selbst gespalten ist, und deshalb schieben sie Konservative unbarmherzig an den Rand ihrer Gemeinden, wo immer sie an die Macht kommen - eine Abschiebung, mit der konservative Bischöfe teilweise einverstanden sind.

Unverzichtbar für den Erfolg der liberalen Strategie sind die Medien gewesen. Noch bevor das Konzil vorüber war, nutzen die Liberalen den unersättlichen Hunger der Medien nach Glaubenskontroversen, nach ihren einheitlich liberalen Standpunkten, ihren Eifer kircheninterne Konflikte an die Öffentlichkeit in einer Weise zu tragen, die einem Bischof die Hände binden. Die Strategie wurde unvermindert beibehalten während dreißig Jahren bis zu dem Punkt, wo die Drohung feindseliger Medien häufig nicht mehr ausgesprochen werden muß - jedermann ist sich dessen zu jeder Zeit bewußt.

Bischöfe, die bekannt waren für ihre Strenge und Autorität waren bald nach dem Konzil zum Schweigen gezwungen durch die ungewohnte Erfahrung, in den Medien an den Pranger gestellt zu werden. Es war eine Lektion, die die nächste Generation von Bischöfen allzu rasch lernte, und nunmehr scheint ein Bischof häufig in erster Linie durch die Angst vor wenig vorteilhafter Presse gelenkt zu werden, wenn er - z.B. - eine diözesane Schlüsselstelle umbesetzen möchte.

Konservative weltliche Journalisten haben ironischerweise einen "Preis des ganz sonderbaren neuen Respekts" gestiftet, den die Medien an konservative Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verleihen, die dabei sind, ihre Prinzipien zu verraten. Jeder Bischof - ob er sich den Preis wünscht oder nicht - weiß, daß es das gibt. (So gibt es eine Diözese, die von einem Bischof regiert wird, der landesweit konservative Reputation hatte, bevor er ernannt wurde, und die nun regelmäßig wirtschaftliche Zuwendungen von den lokalen Medien erhält, seit dieser Bischof höchstselbst dabei mitmacht, konservative Katholiken als labile Fanatiker darzustellen.)

Es gibt Elemente in der Amerikanischen Kultur, die die bemerkenswerte Erwartung haben, daß Bischöfe und andere "öffentliche Führerpersönlichkeiten" leutselige Männer sein müssen, die in die örtliche Szene "hineinpassen", und welche die natürliche Neigung des Menschen erhöhen, harte Entscheidungen zu vermeiden. Spezielle Bedingungen in einer bestehenden Diözese tun dies ebenfalls. Zweifellos war der Heilige Stuhl einige Male enttäuscht über die Untätigkeit der Männer, die er ernannt hatte. Es ist allerdings unmöglich, das Phänomen eines solchen untätigen Bischofs zu verstehen ohne zu sehen, daß dem Vatikan ebenso sein Maß an Mitschuld für diese Situation zukommt.

Die Rolle des Vatikan

Von den Italienern wird immer gesagt, daß sie die Diplomatie erfunden haben. Es war eine Kunst, die in Italien während der Renaissance zur Blüte kam, und niemand praktizierte sie perfekter als das Papsttum selbst. Diese respektable Tradition hielt bis in die Gegenwart hinein an, und ungeachtet der Tatsache, daß sie teilweise durch die Liberalen als Form der zentralistischen Kontrolle denunziert wird, dient sie oft liberalen Interessen in der Kirche.

Die Kunst der Diplomatie kann einfach als Versucht definiert werden, seine Ziele dadurch zu erreichen, indem man seine Gegner geschickt durch Strategien manipuliert, die diese Gegner oft nicht erkennen bis das Ziel erreicht ist. Aber wenn Krieg die Fortführung der Diplomatie mit anderen Mitteln ist, dann zeigt die Häufigkeit der Kriege in der Menschheitsgeschichte, wie oft die Diplomatie versagt.

Diplomatie neigt zu besonderer Ineffektivität in Situationen, wo Ideologien herrschen, wo streitende Parteien Auffassungen haben, die sie als grundlegend ansehen und von denen sie leidenschaftlich überzeugt sind, und worin sie nichts weniger sehen als daß das Gesamtwohl der Welt auf dem Spiel steht. Das ist die Situation der Kirche heute, und es sind gegnerische Gruppen darin verwickelt, die völlig auseinanderklaffen in ihren Auffassungen über Moral, der Lehre der Kirche, und die Natur der Kirche selbst.

Während all der Jahrhunderte mußte der Heilige Stuhl oft zur Diplomatie flüchten, weil er keine militärische und politische Macht hatte. ("Wie viele Divisionen hat der Papst?") Solche Diplomatie sollte eben dort in internen kirchlichen Angelegenheiten eingesetzt werden, wo zum Beispiel weltliche Regierungen einen starken Einfluß auf die Ernennung von Bischöfen ausüben.

Es ist deshalb eine Ironie und entmutigend, daß im Bereich moderner Demokratien, wo die Kirche den Segensreichtum völliger Unabhängigkeit von politischer Kontrolle genießt, solche Diplomatie überhaupt notwendig erscheint, nunmehr aber oft konzentriert auf interne kirchliche Angelegenheiten. Es kommt z.B. vor, daß der Papst nicht einfach frei Bischöfe ernennen kann, die er für geeignet hält, sondern einen ausgetüftelten Auswahlprozeß zulassen muß, nach dem erfolgreiche Kandidaten häufig nur noch Personen sind, die keine hochgestellten Feinde haben.

Der Heilige Stuhl befaßt nun die nationalen Bischofskonferenzen damit, ebenso wie die zahlreichen religiösen Orden, beinahe so wie fremde Mächte. Skrupulöse Korrektheit wird die ganze Zeit über gewahrt, formale Worthülsen verdecken kaum Spannungen, und alle möglichen "Vorfälle" werden vermieden. Konservative Katholiken können nicht ermutigt, für die Orthodoxie vor Ort aufzutreten, so wie eine Regierung seinen Bürgern nicht erlauben kann, in fremden Ländern zu leben unter Umgehung der dortigen Gesetze. (So haben sich Liberale zehn Jahre lang bitter beschwert über den Heiligen Stuhl, daß dieser den Beschwerden konservativer amerikanischer Katholiken Gehör geschenkt hat - woraufhin der Heilige Stuhl aufgehört hat, solche Beschwerden zur Kenntnis zu nehmen.)

Diese hausgemachte Art der Diplomatie innerhalb der Kirche hat schwache Resultate erzielt. Mißbräuche wurden toleriert nicht um der Einheit willen, sondern um den Schein der Einheit zu wahren, der von selbst zu einer überholten Angelegenheit wird.

Schein vor der Substanz

Als der Vatikan nach 1980 damit begann, tendenziell eher konservative Bischöfe zu ernennen, scheint sich auch ein Profil eines Ideal-Bischofs abzuzeichnen, das auf die Mehrheit der von Johannes Paul II. Ernennungen zutrifft: Persönlich orthodox und fromm, aber zaghaft, vorsichtig und "unkontroversiell". Als Schlußfolgerung läßt sich die Strategie des Vatikan um die Diözesen zu reformieren so bezeichnen, daß Bischöfe ernannt werden, welche mit einer derartigen Vorsicht und Einfühlungsvermögen agieren, daß mit der Zeit der Wechsel von selbst kommt - ohne, daß es die Leute überhaupt so richtig mitbekommen haben. Eingefleischte liberale Elemente würden keinen Widerstand leisten, noch würden die Medien Wind davon bekommen, weil sie nicht verstehen, was da vor sich geht.

Aber in einer Umgebung, die von Ideologien regiert wird, kann sich diese Szenerie nicht entfalten. Liberale sind sehr schnell im Erkennen schon kleinster "Rückwärtsschritte" durch ihren Bischof, und sie testen ihn indem sie unbarmherzig ihre Angelegenheiten vorantreiben, sodaß er sie entweder zur Rede stellen muß oder aber aufgibt. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Strategie einer schmerzlosen, unkontroversiellen, beinahe unbemerkten Reform eine, mit der auch der brillanteste Diplomat Ärger erhalten würde.

Deshalb sind konservative Bischöfe, welche in ihren Diözesen als Enttäuschung erlebt werden, häufig so, weil sie wegen bestimmter persönlicher Qualitäten ausgewählt wurden, welche dazu geeignet erschienen waren, solche Ergebnisse zu erzielen. Die uralte Maxime "suaviter in modo, fortiter in re" ("Weich im Vorgehen, hart in der Sache") verkommt leicht zu einer Befangenheit, wo "modus" mit "res" vertauscht wird.

Einmal ernannt, findet ein konservativer Bischof andere Hindernisse als nur die in seiner Diözese. Trotz fünfzehn Jahren Bischofsernennungen durch Johannes Paul II. sind die nationalen Bischofskonferenzen noch immer im wesentlichen liberal dominiert, wo deklarierte Konservative schon Schwierigkeiten haben, wenigstens schwerwiegende Fehler zu vermeiden, geschweige denn substantielle Siege zu erringen. Neuerlich würde es eine bestimmte Sorte von resoluten Männern brauchen, die mit dem Status einer erklärten Minderheit fertig werden innerhalb einer Körperschaft, die größtes Gewicht auf den Geist der Einheit legt. Falls nicht anders, entdeckt ein neuer Bischof schnell, daß der konstant auf der Verliererseite steht, bis er seine Positionen substantiell abschwächt.

Die Überlegungen, die eine solche Abschwächung diktieren, sind kennzeichnend, weshalb selbst der Heilige Stuhl sie hoch bewertet. Schlechte Publizität hilft der Kirche niemals, noch dazu wenn sie bittere innere Konflikte beleuchtet. Idealerweise sollte der Bischof den Respekt und die Loyalität der gesamten Diözese genießen und nicht ein Brennpunkt der Kontroversen sein. Der Geist der Kollegialität bestimmt, daß die Nationale Bischofskonferenz nicht einfach übergangen werden kann.

Aber ein unvoreingenommener weltlicher Student der katholischen Theologie muß darauf den Schluß ziehen, daß nur wenige Religionen in der Geschichte der Welt mehr Bedeutung doktrinärer Reinheit, liturgischer Korrektheit, und moralischer Authentizität beigemessen haben als die Katholische Kirche. Wie jemand aufgezeigt hat, ist es die Anglikanische Tradition gewesen, die beinahe zahllose Möglichkeiten liturgischer und lehramtlicher Spielarten toleriert hat, eben mit dem Auftrag, ein Schisma zu verhindern, während die katholische Tradition immer das Gegenteil darstellte.

Zu beinahe allen Zeiten in der Geschichte der Kirche, wo ein Belang der Orthodoxie im Vordergrund stand, hat die jeweilige Kirche ein gespenstisches Gefühl dafür, und zwar genau wegen der Abwesenheit dieses Bezugs. Auf diözesanem und nationalem Level ist es möglich, Fragen pastoraler Strategien, administrativer Kompetenzen, wirtschaftlicher Möglichkeiten, menschlichem Einfühlungsvermögen, sozialen Ungerechtigkeiten, und eine Reihe von anderen Dinge, zu erörtern, aber niemals über dogmatische Fragen. Das dafür zutreffende Wort, und sein Gegenteil - "Häresie" - wird selten angewandt, und sogar konservative Bischöfe vermitteln den Eindruck, daß sie sich genieren, in solchen gedanklichen Kategorien denken zu müssen. (Und das, obwohl heterodoxe Personen manchmal von Positionen entfernt werden müßten, weil sie Gründe liefern, von denen jeder weiß, daß sie falsch sind, und das verursacht umgekehrt noch größere Schuld.)

Häufig wird bischöfliche Untätigkeit angesichts offensichtlicher Mißbräuche erklärt durch das Prinzip der Kollegialität: Obwohl der Bischof gerne so handeln würde, kann er nicht im Alleingang handeln, sondern nur durch einen Konsens. Aber die Inadäquatheit dieser Erklärung kann aufgezeigt werden anhand der Handhabung beim Ku-Klux-Klan-Test: Wenn ein Priesterrat z. B. von offenkundigen Rassisten kontrolliert würde, würde der Bischof unverzüglich und gründlich handeln, ohne vorher das Protokoll zu befragen. Wenn er nicht so handelt, dann deshalb, weil er nicht glaubt, daß die Angelegenheiten (Glaubensreinheit, Einhaltung der liturgischen Vorschriften, Gehorsam dem Heiligen Stuhl gegenüber) hinreichend bedeutend sind.

Heroische Geduld?

Die hauptsächliche Tugend im Amerikanischen Episkopat der Gegenwart scheint die Geduld zu sein, welche eine legitime Eigenschaft ist, aber es sollte festgehalten werden, daß Geduld nur dort vorhanden ist, wo sie in Beziehung zu den anderen Tugenden steht. (So, wie der Dichter Roy Campbell über den Neo-Klassizismus in der Literatur schrieb: "Ich sehe die Kandarre und das Zaumzeug sehr wohl, aber wo ist das blutende Pferd?") Geduld versucht auf eine Weise Ziele zu erreichen, der andere Tugenden nicht verletzt. Es ist nicht einfach ein anderes Wort für Vorsicht.

In der gesamten Kirchengeschichte war auch nicht ein einziger Heiliger kanonisiert worden für die hervorragende Tugend der Geduld, und viele waren (von einem weltlichen Standpunkt aus) richtiggehend ungeduldig. Das gleiche gilt für kanonisierte Bischöfe, viele von ihnen waren Märtyrer und beinahe alle waren in eine Reihe verschiedenster Konflikte verwickelt. (Als der Hl. Karl Borromäus begann, seine Mailänder Diözese zu reformieren, heuerten die Bewohner eines bestimmten Klosters einen Mörder, welcher auf den Bischof während der Vesper schoß.)

Dem Verständnis der Geduld gemäß, wie sie heute verstanden wird, würde die Kirche einen John Fisher - dem einzigen Bischof, der Heinrich VIII. widerstanden hatte - nicht kanonisiert haben, aber dafür Stephen Gardiner und Cuthbert Tunstall - Männer, die, obwohl sie durchaus nicht prinzipienlos waren, es immerhin zuwegebrachten, die Veränderungen in der Kirche durch immerhin drei Regenten zu überstehen. (Obwohl die Tatsache wohl bekannt ist, daß alle außer einem Englischen Bischof Heinrich VIII. 1534 zustimmten, ist es weit weniger bekannt, daß 1559 nicht ein Englischer Bischof Elisabeth I. zustimmte, woraufhin alle aus dem Amt entfernt wurden, einschließlich Tunstall. Eine Tatsache auch, die die Möglichkeit einer gründlichen Reform einer nationalen Hierarchie beweist.)

Heutige Bischöfe mögen sich verständlicherweise entmutigt fühlen unter dem Auftrag, Umstände zu korrigieren, die sich nun über drei Jahrzehnte unkontrolliert entfalten konnten, und deren Wurzeln oft zurückzuverfolgen sind zu genau jener Generation von angeblich mächtigen Prälaten zur Zeit des Konzils. Aber das veranschaulicht ein Prinzip der Bequemlichkeit: Jedes Problem, vom moralischen Fehler bis zum undichten Kamin, wird schlimmer, wenn es nicht erkannt und bekämpft wird. Entgegen dem Anspruch, ein gestrenger Papst der Gegenreformation zu sein, sind all diese Probleme heute schwerer zu beseitigen als zur Zeit, als Johannes Paul II. den Papstthron bestieg, und sie werden noch schwieriger werden, wenn sie nicht angegangen werden.

Von einem amerikanischen Bischof schrieb eine Zeitung, daß er während seines ersten Amtsjahres mehr Kontroversen provozierte als seine Vorgänger in zwanzig Jahren taten. Während niemand Kontroversen um ihrer selbst willen begrüßen sollte, diktieren die nackten Fakten der Situation, daß ähnliche Dinge von jedem Bischof gesagt werden müßten, der getreulich versucht, seinen göttlichen Auftrag zu erfüllen.

(James Hitchcock, einer der Begründer der 'Fellowship of Catholic Scholars', schreibt eine Kolumne für einen amerikanischen Kirchenzeitungs-Verband. Übersetzung: Eberhard Wagner)


Padre Alex (Gastgeber):
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