Predigt für die Nachprimizen in der Stiftskirche und Heldentorkrypta in Wien
[ Eine weitere Primizpredigt ]

Themen: Warum also freuen über einen Neupriester? Ein Antwortversuch mit Impulsen aus dem römischen Direktorium für Dienst und Leben der Priester

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(Padre Alex)


Liebe Andächtige in Christus, dem ewigen Hohenpriester!

Welchen besseren Anlaß als die erste heilige Messe eines Neupriesters in einer bestimmten Kirche könnte es geben, ein wenig darüber nachzudenken, warum wir uns eigentlich über einen Neupriester so freuen dürfen. Wer über das Wesen des Priestertums sprechen will, muß das dreifache Amt des Priesters behandeln: erstens das Priesteramt im engeren Sinn, also das Darbringen des hl. Meßopfers und alles, was dazugehört; zweitens das Hirtenamt, also die Leitung und Zusammenführung der Seelen und alles, was zu einem gesunden kirchlichen Gemeinschaftsempfinden beiträgt und drittens das Lehramt. Dieses dritte Amt des Priesters muß heute und in nächster Zukunft wohl besonders sorgfältig verwaltet werden, weil das Glaubenswissen überall in der Kirche rapide abnimmt, und selbst treue Katholiken oft nicht mehr genau wissen, was unser Glaube wirklich sagt und als Hilfe anbietet. Das Amt des Opferpriesters am Altar ist aber zweifellos das wesentlichste innerhalb des Priestertums.

"Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Verwandte von dem und dem (das bedeutet nämlich Bruder und Schwester im damaligen Sprachgebrauch)?" Diese Frage verrät die Fixierung auf rein-sichtbare Dimensionen. Man weiß doch schon alles, man hat doch alles längst durchschaut, man hat die Offenheit auf Gott hin aufgegeben. Aber wenn schon Jesus, der ja bereits als ewiger Hoherpriester, Erlöser, als der wahre Gottmensch in diese Welt eintrat, ungläubige Ablehnung im engsten Heimatkreis erfuhr, wie ist es dann erst mit den seit dem Abendmahlsaal bevollmächtigt geweihten menschlichen Priestern im Dienste Gottes? Zunächst ist unbestreitbar, daß keiner von uns als Priester geboren wird. Aber der Priester wird von Gott berufen. Es ist bei jedem eine ganz eigene Berufungsgeschichte, und weil das so ist, muß die Kirche die Echtheit der jeweiligen Berufung überprüfen. Nicht der einzelne Kandidat tritt vor die Kirche hin und sagt: >Jetzt bin ich Priester, gebt mir Arbeit!<, sondern die Kirche stellt fest: Dieser ist zum Priestertum von Gott berufen. Und die Kirche gibt uns die Priester. Die Kirche - das heißt: die Gemeinschaft der Gläubigen auf Erden und im Himmel, die jeden Priester erbetet und durch das Wirken des Hl. Geistes "hervorbringt", und zugleich die Hierarchie, die dann die Echtheit der Berufung feststellt und klärt und schließlich den amtlich-sakramentalen Charakter in der hl. Weihe unauslöschlich für ewig verleiht. Beides gehört zusammen: Es gibt niemals eine betende Kirche ohne Hierarchie oder eine Hierarchie ohne die betende Gemeinschaft der Gläubigen. Denn beides kommt von Christus: die Gemeinschaft der Getauften und die sakramentale Amtlichkeit des Priesters. Von beiden Seiten her ist der Priester ein Mann der Kirche. Er ruht in der Kirche, die in ihrer Tiefenschicht selbst unverrückbar in Gott ruht.

Aber warum der ganze Aufwand? Was ist da so besonders? Arbeitet nicht jeder Christ zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen? Das schon. Aber allein der Priester kann Brot und Wein in den hochheiligen Leib und das kostbare Blut Christi verwandeln und so dem himmlischen Vater opfern, sodaß wir als Frucht des Opfers in der hl. Kommunion Jesus Christus selbst mit seiner ganzen göttlichen und menschlichen Natur empfangen. Das hat Christus selbst so gewollt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!" (Lk 22,19) Er selbst will, daß wir uns mit ihm vereinigen, in Erinnerung an alles, was er für uns getan hat. So vollziehen wir die engste Gemeinschaft, die es gibt. Und es ist eine Gemeinschaft, die in Ewigkeit nicht aufhört: "Brot des ewigen Lebens" (vgl. Joh 6,48). Nur unsere Sünde kann uns da noch einmal herausreißen. Diese Gefahr ist groß. Wir sollen daher die hl. Kommunion sehr bewußt und nur im Stande der Gnade empfangen. - Der Priester sorgt also dafür, daß diese innigste Gemeinschaft von Gott und Mensch bei uns immer wieder verwirklicht wird. Und noch etwas: Der Priester allein kann im Namen Gottes sagen: "Ich spreche dich - dich ganz persönlich - los von deinen Sünden; du stehst jetzt vor Gott wie im Augenblick der Taufe da: rein und frei und kraftvoll; du kannst wieder neu anfangen. Gott trägt dir nichts mehr nach, weil du bereut hast." Heilige Messe, Bußsakrament und hl. Krankenölung sind die entscheidenden Tätigkeiten des Priesters. Und da sie alle mit dem ewigen Leben jedes einzelnen Menschen zu tun haben, sind es außerordentlich wichtige Tätigkeiten.

Da habe ich nun das Stichwort genannt: ewiges Leben. Nun ist ja der Priester wirklich nicht dazu da, im irdisch-gesellschaftlichen Bereich etwas Nachprüfbares zu leisten, zu bessern, zu forschen oder kämpferisch durchzusetzen. Sicher: In seltenen Ausnahmefällen mag auch ein direktes Eingreifen von Priestern in rein irdische Dinge gut sein. Aber Priester ist man prinzipiell nicht, um in rein irdischen Dingen den hier viel kompetenteren Laien die Arbeit wegzunehmen oder gar zu erschweren. Priester ist man, um den unsterblichen Seelen der Menschen zu helfen, in die ewige Herrlichkeit zu kommen und nicht in die ewige Verdammnis. Das ist freilich schwer von außen nachprüfbar. Es ist keine "Machtausübung", die irgendwie vergleichbar wäre mit irdischer Macht. Es ist schließlich auch nicht unbedingt immer "nützlich", im Gegenteil: was der Priester tut und mit ihm der gläubige Christ, kann dem weltlichen Nützlichkeitsdenken manchmal klar widersprechen. Aber es geht im Glauben und ganz besonders im priesterlichen Dienst am Glauben um das ewige Leben: um mein und dein ewiges Heil oder Unheil. Erst vor diesem Hintergrund erscheint der Dienst des Priesters als die lebensnotwendigste aller Tätigkeiten. Er ist die ausgestreckte Hand Gottes. Er handelt an einigen Stellen so, als ob Christus hier stünde. Ja, bei der hl. Wandlung in der hl. Messe und bei der Lossprechung in der Beichte ist es Christus, der durch den Priester hindurch spricht; da ist der Priester reines Instrument des Herrn. Aber auch sonst stellt uns der Priester vor Gott hin, sodaß wir uns in allen Lebenslagen an unsere ewige Bestimmung erinnern. All das kann der Priester, weil er in ewig-besonderer Weise mit Christus verbunden ist. Er ist wirklich "der andere Christus", der hier und heute sichtbare Christus. "Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf." (Mt 10,40;vgl. Lk 10,16; Joh 13,20)

Der Priester stellt sich also der Kirche deutlich als Leiter "gegenüber", der die ihm anvertrauten Gläubigen zur Heiligung hinführt, die seinem Dienst anvertraut sind. Zwei grundsätzliche Versuchungen nennt diesbezüglich das neue römische Direktorium für Dienst und Leben der Priester, bekannt seit dem Gründonnerstag 1994. Die erste ist die, das eigene Amt herrisch gegenüber der Herde auszuüben (vgl. Lk 22,24 - 27; 1 Petr 5,1 - 4), während die zweite jene ist, in einer unrichtigen Vorstellung von "Gemeinschaft" die eigene Gleichgestaltung mit Christus, dem Haupt und Hirten, herabzumindern.

Die erste Versuchung war auch für die Jünger sehr stark und erfuhr von Jesus einen deutlichen und wiederholten Verweis: jede Autorität ist im Geiste des Dienstes auszuüben und zwar als amoris officium, als Amt der Liebe und als vorbehaltlose Hingabe zum Wohl der Herde (vgl. Joh 13,14; 10,11). Der Priester muß sich immer daran erinnern, daß der Herr und Meister "nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen" (Mk 10,45), daß er sich niederkniete, um seinen Jüngern die Füße zu waschen (vgl. Joh 13,5), bevor er am Kreuz starb und bevor er sie in die ganze Welt aussandte (vgl. Joh 20,21).

Häufig geschieht es, daß man, um die erste soeben genannte Fehlhaltung zu vermeiden, der zweiten verfällt und dazu neigt, jeden Unterschied der Aufgaben zwischen den Gliedern der Kirche, des mystischen Leibes Christi, zu eliminieren und damit faktisch die wahre Lehre der Kirche bezüglich der wesentlichen Unterscheidung von gemeinsamem Priestertum der Gläubigen und Amtspriestertum, ablehnt. Unter den diversen Zerrbildern, die heute zu verzeichnen sind, findet man den sogenannten "Demokratismus", wie ihn das Direktorium nennt. Er führt dazu, die Autorität und Gnade, die Christus als Haupt zukommen, zu leugnen und die Kirche so zu behandeln, als wäre sie nichts anderes als eine menschliche Gesellschaft. Eine solche Sicht schwächt die hierarchische Verfassung der Kirche, wie sie von ihrem göttlichen Gründer gewollt worden war, wie sie das Lehramt immer klar gelehrt hat und wie sie die Kirche ununterbrochen gelebt hat. Niemandem steht es aber zu - wie das neue Dokument wiederum erinnert - das zu verändern, was Christus für seine Kirche gewollt hat. Sie ist unauflöslich an ihren Gründer und ihr Haupt gebunden, der ihr als einziger durch die Macht des Heiligen Geistes Amtsträger zum Dienst an den Gläubigen gibt. Diese absolute Bindung an den Willen Christi sowohl des Papstes als auch jedes Christen ist auch der Grund, warum die gültige Priesterweihe in der wahren Kirche Christi immer berufenen Männern vorbehalten bleiben wird. Es handelt sich um eine Glaubensfrage. In Glaube und Sakrament wie in den Grundfragen der Moral kann die Kirche eben nicht willkürlich tun, was sie möchte, sondern sie wird Kirche dadurch, daß sie in den Willen Christi einwilligt. Der Hl. Vater weist wiederum überzeugend darauf hin, daß die auf dem Beispiel Jesu und der beständigen Praxis der Kirche ruhende Gewißheit des Nichtzulassenkönnens von Frauen zur Priesterweihe keine Diskriminierung darstellt. Maria hat trotz ihrer höchsten möglichen Würde - Mutter Gottes und Mutter der Kirche zu sein - nicht auch die spezifische Sendung der Apostel und das priesterliche Amt empfangen. Nun ist die jahrtausendealte Gewißheit der kirchlichen Praxis in diesem Punkt neuerlich und endgültig für alle Christen verpflichtend durch den Apostolischen Brief Ordinatio sacerdotalis bestätigt worden.

Eine konkrete Form, um nicht der "demokratistischen" Versuchung zu verfallen, nennt das neue Direktorium noch: nämlich die Vermeidung der "Klerikalisierung" der Laien, die ja dazu neigt, das Amtspriestertum des Priesters zu unterdrücken, dem allein aufgrund der vom Bischof empfangenen Priesterweihe im eigentlichen Sinn der Begriff "Seelsorger" zukommen kann. Tatsächlich bezieht sich die Bezeichnung "Pastoral" / "Seelsorge" auf die Vollmacht des Lehren und Heiligens sowie auf die Vollmacht des Leitens oder Regierens. Im übrigen erinnert das Direktorium daran, daß solche Tendenzen nicht die wahrhaftige Förderung des Laienstandes begünstigen, sondern vielmehr die echte christliche Berufung und die kirchliche Mission der Laien in der Welt vergessen lassen. Johannes Paul II. ist der Papst des Laienapostolates, er hat kürzlich gesagt: "Wenn wahr ist, daß ein Laie den Hirten in den Ämtern, welche durch das Sakrament der Weihe verliehene Vollmachten erfordern, nicht ersetzen kann, dann ist auch wahr, daß der Hirt die Laien in den Bereichen, wo sie sachkundiger sind als er, nicht vertreten kann." "Es besteht also in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit in der Sendung." (2. III. 1994) Papst Paul VI. hat 1975 in einem Apostolischen Schreiben ("Evangelii nuntiandi") zur primären Aufgabe der Laien sehr schön gesagt: "Ihre erste und grundlegende Aufgabe ist nicht der Aufbau und die Entwicklung der kirchlichen Gemeinschaft - hier liegt die besondere Aufgabe der Hirten - sondern sie sollen alle christlichen, vom Evangelium her gegebenen Möglichkeiten, die zwar verborgen, aber dennoch in den Dingen der Welt schon vorhanden sind und aktiv sich auswirken, verwirklichen." (EN 70) Konkret meinte der Hl. Vater die Politik, die Wirtschaft, die Kultur, die Massenmedien und die Erziehung. Es geht also um die Fleischwerdung der Kirche in der Welt durch den wertvollen und unersetzbaren Auftrag der Laien. Die Anwesenheit und das Tun der Kirche wird durch sie im vielfältigen Gesamt der irdischen Aufgaben gewährleistet. Das allgemeine Priestertum der Getauften sagt so wenig gegen besondere priesterliche Dienste aus, so wenig das gemeinsame Priestertum Israels dessen priesterlichen Ordnungen entgegenstand. Die apostolische Verfassung kann also nicht mit dem protestantischen Begriff "Amtskirche" gegen eine "Volkskirche" ausgespielt werden.

So ist also der Priester der vorrangige Mitarbeiter der Allerheiligsten Dreifaltigkeit auf dem Pilgerweg zum ewigen Leben. Das ist die tiefe, hohe Würde des Priesters. Darum also freuen wir uns mit Recht darüber, wenn unsere Kirche wieder einen Priester mehr hat: einen zuverlässigen Wegführer durch den Dschungel unseres heutigen Lebens hin zur wahren Freiheit in der Heiligkeit. Das letzte Ziel aller Liturgie und allen priesterlichen Dienstes ist es ja, die Welt als ganze zur Opfergabe für Gott zu machen, das heißt die ganze Welt in den Leib Christi einzubeziehen, damit Gott alles in allem sei. Bitten Sie Gott für alle Neupriester, daß sie dieser großen Aufgabe stets gerecht werden mögen und beten wir. AMEN.


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(Padre Alex - Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik)